Nicht wenige Zeitgenossen sehen im Landkreis Roth ausschließlich eine Behörde, die Gebühren kassiert, Nummernschilder vergibt oder Baugenehmigungen absegnet. Dann gibt es Menschen, die den Landkreis nicht nur als reinen Dienstleister betrachten, sondern für das Gebiet zwischen Wendelstein und Greding auch eine Art von Heimatliebe entwickelt haben. Dass letztere Gruppe im Laufe von fünf Jahrzehnten an Gewicht gewonnen hat, dürfen sich vor allem jene Männer und Frauen an ihre Fahne schreiben, die in den politischen Gremien oder in den Behördenzimmern dafür sorgen, dass die vielen Zahnräder, die das komplizierte System „Landkreis“ am Laufen halten, auch tatsächlich ineinandergreifen. Weiterführende Schulen, Kreisklinik und Infrastrukturmaßnahmen wie Straßenbau oder zukunftsfähige Heizkraftwerke zählen genauso zu den Pflichtaufgaben eines Landkreises wie soziale Belange, Jugendarbeit, Tourismus oder der Landschaftsschutz.

Als sich im Juli 1972 in der Stadthalle der neuen Kreisstadt Roth der erste Kreistag konstituierte, war zwar viel vom Schulhausbau und einem modernen Kreiskrankenhaus die Rede, doch auch über Maßnahmen, die geeignet waren, das Zusammenwachsen der Gemeinden aus den Alt-Landkreisen Schwabach und Hilpoltstein zu fördern, wurde mit Hingabe diskutiert. Rohr, Kammerstein, Wendelstein, Schwanstetten, Rednitzhembach, Büchenbach, Abenberg, Spalt, Georgensgmünd und Roth zählten bekanntlich einst zum ehemaligen Landkreis Schwabach. Allersberg, Hilpoltstein, Röttenbach, Heideck, Thalmässing und Greding gehörten lange Jahre dem ehemaligen Landkreis Hilpoltstein an.

Die Verantwortlichen im Landkreis Roth ließen nichts unversucht, um der neugebildeten Gebietskörperschaft eine eigene Identität zu geben. Als Musterbeispiel darf der 1984 von Landrat Dr. Helmut Hutzelmann ins Leben gerufene Landkreislauf gelten. Beim Etappenlauf durch alle Städte, Märkte und Gemeinden wurde vielen Teilnehmern die landschaftlichen Reize des neuen Landkreises erstmals so richtig bewusst. Das seit 1980 durchgeführte Sport- und Spielfest für gehandicapte Menschen auf dem Gelände der Rother Otto-Lilienthal-Kaserne war eine der ersten Gemeinschaftsaktionen mit Signalwirkung. Auf dem Gebiet der Kultur wurde der Landkreis mit Veranstaltungen wie beispielsweise „Jugend musiziert“ oder den beliebten Weihnachtskonzerten gleichfalls aktiv. Dass die Hilfsorganisationen aus dem neuen Landkreis Roth wie Feuerwehr, Wasserwacht, THW oder das Rote Kreuz Hand in Hand arbeiten, war von Anfang an eine Selbstverständlichkeit. Daneben hielten Einrichtungen und Organisationen wie der Kreisjugendring oder der Landfrauenchor die Fahne des neuen Landkreises hoch. Wogegen es die Fußballer nicht schaWDwfften, ihr unteres Klassensystem den neuen Landkreisgrenzen anzupassen. Indirekt aber führte etliche Jahre der Wettbewerb um den Stücklen-Pokal Fußballteams aus dem gesamten Landkreis zusammen. Unter anderem folgten der Schach- und Tennissport diesem Beispiel.

Die erstmalige Zusammenkunft der gesamten Fraktion fand am 29. Juni 1972 in Allersberg im Gasthof Rehm statt. Dieser Tag kann als Geburtsstunde der UWG-Kreistagsfraktion bezeichnet werden. Es wurden die Marschroute für die kommende Arbeit festgelegt und die Vorschläge für die Besetzung der Ausschüsse erarbeitet. Als Fraktionsvorsitzenden und Mitglied im Kreisausschuss benannte die Fraktion Friedrich Rupprecht. Die Zusammenführung der Behörden war die wichtigste und dringlichste Aufgabe des neuen Kreistages, erinnert sich der Rother Heinrich Himmelein, damals das jüngste Mitglied des Kreistages.

Die konstituierende Sitzung des Kreistages fand am 12. Juli 1972 in der Stadthalle in Roth statt. Zum Landrat wählte die Bürgerschaft den ehemaligen Hilpoltsteiner Landrat und Bezirkstagspräsidenten Dr. Ignaz Greiner (CSU). Er erhielt 60,55 % der Wählerstimmen. Sein Gegenkandidat war der Jurist Hartmut Frommer von der SPD. Zum ersten Stellvertreter des Landrats wurde Otto Stücklen (CSU) aus Spalt gewählt, als weiterer Stellvertreter Heinrich Zörntlein (CSU), ebenfalls aus Spalt, bestellt. Damit hatte die CSU, die mit 31 Kreisräten über die absolute Mehrheit verfügte, alle drei Landräte mit Männern aus den Reihen der CSU besetzt.

Im Laufe der Legislaturperiode verstärkte sich die UWG-Fraktion durch den Übertritt des aus der SPD ausgeschiedenen Kreisrats Josef Bäuml (* 30.11.1911, †19.08.1988) aus Hilpoltstein. Josef Bäuml unterstützte von Anfang an alle Bemühungen in Hilpoltstein einen Ortsverband der Freien Wähler aufzubauen.          

Mit der Gründung des Kreisverbandes der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) wurde am 22. Januar 1977 im Gasthaus Gugel in Roth-Eckersmühlen die Arbeit der Kreistagsfraktion, die zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Jahre bestand, organisatorisch auf eine neue Grundlage gestellt. Dem Kreisverband traten 34 Vesammlungsteilnehmer als Gründungsmitglieder bei. Dank der vorausschauenden Initiative von Friedrich Rupprecht wurde damit der Grundstein für eine erfolgreiche Aufbauarbeit der Freien Wähler im Landkreis Roth gelegt. Nach der Gründung des Kreisverbandes sollten auch in den 16 Landkreiskommunen Ortsverbände entstehen. In den Gemeinden gab es meist nur lockere Zusammenschlüsse, die sich vor den jeweiligen Wahlen zur Nominierung von Kandidatinnen und Kandidaten trafen. In den kleineren Gemeinden gab es in der Regel nur eine freie und/oder überparteiliche Liste. Basisdemokratisch wurde in einer Nominierungsversammlung, zu der alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger eingelden waren, über die Platzierung der Kandidierenden auf der Liste abgestimmt.

Die erste Kreisvorstandschaft bestand aus dem Kreisvorsitzenden Friedrich Rupprecht aus Rednitzhembach, dem stellv. Kreisvorsitzenden Eberhard Büttner aus Röthenbach St. W., dem Schriftführer Hans Herger aus Heideck und dem Kassier Heinrich Himmelein aus Roth. Zu Kassenprüfern wurden Ernst Groh aus Greding und Alfred Zintl aus Allersberg gewählt.

Hans Henglein, waschechter Franke und langjähriger Kommunalpolitiker, kritisierte gerne die Verwendung von Fremdwörtern und Anglizismen, die immer mehr Einzug in unseren Sprachgebrauch nehmen. So äußerte er sich im Kreistag auch zu den Plänen für einen „Park and Ride-Platz, kurz P&R“ am neuen Regionalbahnhof Allersberg- Altenfelden. Nach der Vorstellung im Kreistag meinte der mit Bauernschläue ausgestattete Wassermungenauer Unternehmer trocken und humorvoll: „Dass man dort einen Parkplatz braucht, das kann ich verstehen. Aber ein Reitplatz, das muss nun wirklich nicht sein.“ Ein langanhaltender Beifall des Hauses war ihm sicher.


"Ich engagiere mich bei den Freien Wählern im Kreistag, weil die FW für Freiheit, einem ganz zentralen Wert in der Politik, stehen: Unabhängig von Parteivorgaben am Puls der Menschen vor Ort zu sein, die unsere Gesellschaft mit ihrer Leistung tragen! Pragmatisch und rational zu entscheiden, statt mit ideologischen Scheuklappen auf der Stelle zu treten. Für christliche Werte und klare politische Überzeugungen zu stehen, gerade wenn der Wind von vorne kommt, andere ihr Fähnlein in den Wind hängen oder die aktuelle Stimmungslage dagegenspricht. Seien wir auch in der Zukunft in diesem Sinne so frei!“

Dieses Zitat stammt von Daniel Horndasch, welcher in der Stichwahl 2017 mit 58 Prozent deutlich zum Bürgermeister in der Marktgemeinde Allersberg gewählt wurde. Er trat die Nachfolge von Bernhard Böckeler an, der 24 Jahre Chef im Allersberger Rathaus war.

Im Jahr 2020 schaffte es Horndasch mit 12.203 Stimmen über die Liste der Freien Wähler in den Kreistag.